# Zeit: MD04.0700
# Ort: Blindbachmühle
Es war ein kühler, friedlicher Morgen am Blindbach. Nebelschwaden quollen aus dem Flusstal herauf und hingen wie zarte Schleier zwischen den alten Bäumen. Auch wenn es über den Baumwipfeln längst hell war, hielt sich hier unten noch eine Erinnerung an die Nacht, würde noch eine kleine Weile eine geheimnisvolle Dämmerung herrschen.
Zwei Rehe spazierten auf der Suche nach Frühstück durch den Wald, zupften mal hier, mal da an einem Blatt oder lasen Eicheln und Nüsse vom Boden auf. Respektvoll hielten sie Abstand von der Mühle. Auch wenn heute viel weniger Zweibeiner als sonst dort zu finden waren, trieb der laue Morgenwind doch gelegentlich einen rauchigen Geruch herüber, der instinktive Urängste in den Tieren auslöste.
Plötzlich knackte ein Ast in der Nähe. Schnell und lautlos wie ein Gedanke sprangen die Rehe davon und waren im Nu im Unterholz verschwunden.
Kevin sah den beiden grazilen Wesen einen Augenblick hinterher. Dann wandte er die Augen ab und ging weiter auf die Mühle zu. Es war zwar unwahrscheinlich, dass er dort fand, was er suchte; doch andererseits hatte er Gerüchte gehört über die unheimliche Müllerin und ihren magischen Begleiter, die hier im Wald ungestört „finstere Hexereien“ aushecken würden. Natürlich war das primitiver Aberglaube dieser Hinterwäldler hier. Aber es schadete nichts, sich mal umzusehen, besonders wenn gerade sturmfreie Bude war.
Der Wald lichtete sich ein wenig, als er näher herankam. Nun sah er, dass er den Weg ungünstig gewählt hatte. Zwischen ihm und der Mühle rauschte der Bach. Recht bald hatte er das Ufer erreicht, das dicht mit Kräutern und Sträuchern überwuchert war. Das Wasser war zu breit, um hinüberzuspringen, und floss auch recht schnell. Bestimmt war es auch eiskalt. Kevin schauderte es schon bei der Vorstellung, seine Schuhe auszuziehen und hineinzusteigen.
Er folgte dem Bach ein Stück flussaufwärts, wobei er die dichte Vegetation des Bachufers einfach niedertrampelte und eine deutliche Schneise hinterließ. Stellenweise quietschte der Boden feucht und seine Fußstapfen füllten sich mit Wasser. Empörte Insekten und Schmetterlinge flogen vor ihm auf, um sich einen ruhigeren Sitzplatz zu suchen.
Nicht lange, und er näherte sich entlang des Wasserlaufs der Mühle. Dort fand er, worauf er gehofft hatte. Hinter dem großen Wasserrad war der Fluß durch ein Wehr aufgestaut, über welches ein schmaler Holzsteg verlief. Dort konnte er den Bach überqueren. Vorsichtig tastete er sich über die glitschigen, vom Morgennebel feuchten Planken und erreichte so die Lichtung mit den Mühlen-und Lagergebäuden. Ein intensiver Geruch nach Brand und kalter Asche hing in der Morgenluft.
Kevin zog seinen Suchstab hervor und hielt ihn waagrecht vor sich. Mit geschlossenen Augen drehte er sich langsam im Kreis. War da ein Kribbeln gewesen? Er war leider blutiger Anfänger mit diesem Ding, und hatte große Schwierigkeiten, die verschiedenen Signale zu interpretieren.
Als er sich ein Stück zurückdrehte, spürte er es wieder. Ein leichtes Zucken, ein Kribbeln wie von Ameisen auf der Haut. Eindeutig. Er öffnete seine Augen und sah, dass er genau in Richtung des Mühlengebäudes stand. Mit einem feinen Lächeln ging er auf die Tür zu. Hatten die Dorfbewohner wohl vielleicht doch recht mit ihren Vorurteilen.
— später —
Frustriert saß Kevin auf der kleinen hölzernen Bank vor der Mühle. Über eine Stunde hatte er im staubigen, vom Löschwasser besudelten Inneren des Gebäudes zugebracht, ehe er beschloss, dass er eine Pause brauchte. Inzwischen war die Sonne höher gestiegen und kitzelte ihn mit ihren Strahlen.
Das Innere der Mühle war fraglos beeindruckend. Das System von Flaschenzügen, Zahnrädern, Wellen und Hebeln war ausgeklügelt bis ins Letzte. Doch dafür war er nicht gekommen.
Er verfluchte seine mangelnden Fähigkeiten mit dem Suchstab. In der Mühle war das Ding völlig durcheinandergeraten. Es zeigte mal hierhin, mal dorthin, entschied sich dann doch anders, mal führte es ihn nach oben, mal nach unten… es war eine Jagd nach Phantomen. Dabei war im ganzen Gebäude nichts offensichtlich magisches zu sehen gewesen. Gab es möglicherweise eine Art Verwirrzauber, der seinen Stab durcheinanderbrachte? Verflixt.
Frustriert drehte Kevin den Stab in den Händen. Jetzt, wo er hier draußen saß, wies er wieder unzweideutig auf das Mühlengebäude. Er blickte an der Wand hinauf, von der niedrigen Türöffnung bis zum zerstörten Dach. Was verbarg diese Hülle?!
Gerade wollte er wieder hineingehen, um einen zweiten Versuch zu starten. Doch gerade noch rechtzeitig hörte er Stimmen und Schritte in der Nähe. Kevin sprang auf und ging schnell hinter der Mühle in Deckung. Er wollte keinesfalls für einen Plünderer gehalten werden. Leise schlich er sich in den Wald davon.
# Zeit: MD04.1000
# Ort: Blindbachmühle
<quote>
See a penny pick it up / all day long you’ll have good luck
Catch a star and make a wish / greet the dawn with sunlight’s kiss
In the forest seek a door / opens to forgotten lore
Catch the glow of a fairy’s flight / in the heart of the darkest night
Wake a shadow deep and old / in the gloom its secrets unfold
Pick a relic dark and cursed / feel the universe reversed
Find a mirror black and cold / reflecting all old tales untold
Watch the stars in patterns shift / feel reality starts to rift
See a penny make your claim / but beware the endless game
Once a charm of simple luck / now a door to madness struck“
Rezitierte er mit dunkler Stimme und alle Anwesenden begannen leicht zu frösteln während sie ihn anstarrten als käme er von einer anderen Welt. Einer Welt mit Raumschiffen die zwischen den Sternen herumflogen.
</quote>
Fabièn war wie betäubt von dem Vortrag Ajurs. Auch er hatte heute noch einmal den Laden Laden sein lassen, um mit der Müllerin über das Relikt zu sprechen. Unauffällig hatte er sich unter die Helfer gemischt. Doch bisher hatte es noch keine Gelegenheit gegeben, ein Wort unter vier Augen zu wechseln.
Wie alle anderen hatte er die Verse angehört, die wie fast wie eine Beschwörung schwarzer Magie klangen. Doch das war es nicht, was ihn so erschreckt hatte, dass er sich erst einmal hinsetzen musste. Nein – er erkannte einfach zuviel wieder. Ob es den anderen auch so ging, dass sie beinahe in jeder Zeile die versteckte Bedeutung lesen konnten?
„Ein Relikt mit dunkler Macht / wendet des Weltalls ewige Nacht“ flüsterte er eine der Zeilen. Seine Hand fuhr in seine Umhängetasche, befühlte den Zylinder, der sich darin befand. Was hatte er da gefunden? Die Tür im Wald – konnte damit der Feenhügel gemeint sein? Oder etwas anderes? Der Glanz der Feen… zugegeben, bei Nacht hatte er sie bisher nicht beobachtet…
Was war das nur für eine verdrehte Geschichte, in die sie hier verwickelt waren? Was würde das Ende sein – der Wahnsinn, wie es das Gedicht andeutete?
// Mach dich nicht verrückt //, ermahnte er sich selbst. // Kümmer dich halt einfach ums Geschäft. //
Richtig. Sollten sich andere mit finsteren Flüchen befassen. Er war nicht ohne Grund hier. Gerade sah er Nazira alleine in Richtung hinter dem Haus gehen. Eine günstige Gelegenheit.
Fabi erhob sich von der Bank und folgte ihr unauffällig. Ohne dass er sich dessen bewusst war, hielt seine Hand immer noch das Artefakt in seiner Tasche umklammert.
Er hatte Glück. Trotz der vielen Leute vor Ort war außer ihm und der Nachtmüllerin niemand hinter dem Haus. Fabi hielt sich zurück, um erst einmal zu sehen was sie hier wollte.
Nazira ging um das Wasserrad herum, inspizierte das große Holzrad und die Welle auf Schäden. Zwar war das Feuer nicht bis hier gekommen, dennoch konnte irgendetwas von oben herab gefallen sein und das Rad beschädigt haben. Sorgfältig prüfte sie die großen Balken, aus denen es gefügt war, drehte es mit der Hand, und sah sich Schaufel für Schaufel an. Es schien alles noch in perfekter Ordnung zu sein. Zufrieden strich die Weißhaarige mit der Hand über das Holz.
„Entschuldigung, Frau Müllerin“ sprach Fabièn sie an.
Ihre Augen verengten sich kurz, als sie ihn sah. Es dauerte einen Moment, ehe sie wusste wen sie vor sich hatte.
„Ah – der Krämer, nicht wahr? Was gibt es?“ fragte sie reserviert. Unbewusst wich sie halb hinter das Mühlrad zurück. Ihre Hände wollten die Kapuze zurechtzupfen, die es jedoch heute nicht gab.
„Keine Sorge, ich will Euch nichts Böses – im Gegenteil, ich will Euch helfen“, beschwichtigte Fabièn. Er sah sich noch einmal um, ob auch wirklich kein Beobachter in der Nähe war. Doch es gab nur eine vorwitzige Amsel, die auf der Wiese nach Würmern suchte.
„Ich habe da etwas, was möglicherweise interessant sein könnte.“
Er zog den Replikator aus seiner Tasche und hielt ihn der Müllerin hin. Kupferfarbene Lichtreflexe tanzten über die Mühlenwand und den Boden, als die Sonne auf das Objekt fiel.
Nazira kam heran und betrachtete das Ding. „Was ist das?“ Sie wollte es in die Hand nehmen, doch Fabi zog es zurück. Er lächelte so charmant, wie er konnte.
„Das, Mylady, ist ein sogenannter Replikator. Er ist in der Lage, in Windeseile alles herzustellen was das Herz begehrt. Mit diesem Ding wäre die Materialbeschaffung für den Wiederaufbau ein Kinderspiel“, behauptete er im Brustton der Überzeugung.
„Ach tatsächlich?“ fragte Nazira zweifelnd. „Das kleine Ding?“ Das widersprach allem, was sie über Mechanik und Apparate wusste. Es sei denn, es war auf irgendeine Art magisch. Sie besah sich den Bronzezylinder in der Hand des Krämers. Auf den ersten Blick unauffällig und harmlos.
Zugegeben, wenn das Ding so mächtig war, wie der Krämer (.. ach ja: Fabièn …) behauptete, wäre das schon eine erhebliche Erleichterung. Was die Frage aufwarf…
„.. und das würdet ihr mir einfach so überlassen? Warum?“
„Meine liebe Müllerin“, erwiderte LaGroille in jovialem Tonfall, der unzweifelhaft „Natürlich nicht“ besagte. „Ich würde doch niemals die Notlage einer unschuldigen Frau schamlos ausnutzen. Es ist doch in unser aller Interesse, dass Ihr schnell wieder an Eure Arbeit gehen könnt.
Aber natürlich bin ich auch Geschäftsmann. Ihr baut Eure Mühle wieder auf – mit Hilfe dieses kleinen Wunderwerks – und wenn Ihr dann wieder im Geschäft seid, reden wir über eine angemessene Bezahlung. Vergesst nicht – nachdem jetzt allen klar geworden ist, wie sehr sie von Eurer Mühle abhängig sind, befindet Ihr euch in einer marktwirtschaftlich sehr vorteilhaften Position.“
// Er meint, ich soll das Mehl teurer machen // übersetzte Nazira innerlich. Sie konnte nicht behaupten, dass der Krämer ihr auf Anhieb sympathisch war. Sie ließ ihn reden und überlegte, was von dem Angebot halten sollte.
„Tatsächlich ist es so, dass wir schon jetzt ins Geschäft kommen können“, fuhr Fabi fort. „Es verhält sich nämlich leider so, dass ich noch nicht herausgefunden habe, wie das Ding funktioniert. Aber für Euch als fähige Mechanikerin ist das doch gewiß ein Kinderspiel. Ich würde Euch den Replikator hier und jetzt leihweise überlassen – für eine klitzekleine Information.“
Aha, das klang ja schon nicht schlecht. Nazira konnte eine gewisse Neugier nicht verleugnen, was diesen „Replikator“ betraf. Wenn sie ihn einmal in den Fingern hätte, könnte sie auch eher beurteilen, was er wirklich wert war.
„Eine Information. Darauf könnte ich mich durchaus einlassen“, antwortete sie. „Was ist es denn, das Ihr wissen wollt?“
Der Krämer zögerte etwas und sah unsicher in der Gegend umher. „Es ist so…“ begann er. Das Thema war für ihn nicht leicht anzusprechen. Schließlich sagte er: „Ich suche eine Frau.“
„Dann geht doch in Reedale auf den Marktplatz, da findet Ihr bestimmt eine“, konnte Nazira sich nicht beherrschen zu erwidern.
„Neinneinnein… ich meine doch… eine bestimmte Frau. Etwa so groß“, zeigte er mit der Hand, „schwarze Haare, hat einen schwarzen Umhang. Sie hat ein rundliches Gesicht und schrägstehende Augen. Sie war vorgestern hier und hat löschen geholfen; ich hatte den Eindruck dass Ihr sie kennt. Keiner im Dorf konnte mir sagen, wer sie ist und wo sie wohnt.“
Fabien schien erleichtert, nachdem er das herausgebracht hatte. Nazira hielt inne und dachte nach – wen meinte er nur? Sie ging die Beschreibung noch mal durch – Schwarze Haare, schwarzer Umhang .. Moment…
„Äh, ihr meint doch nicht etwa Jet…“, Nazira biss sich auf die Lippe, bevor sie den ganzen Namen verraten hatte.
„Jetsun, ja genau“, sprudelte Fabi heraus. Woher auch immer, schien sein Gedächtnis tatsächlich den richtigen Namen gewusst zu haben. Freilich hatte er bis gerade eben noch daran gezweifelt.
Die Müllerin kniff die Augen zusammen und betrachtete den Krämer mit neu erwachtem Misstrauen.
„_Möglicherweise_ weiß ich, wen Ihr meint. Was wollt Ihr von ihr?“
Fabièn hielt den Replikator in die Höhe, und fasste ihn vorsichtshalber etwas fester. „Kommen wir ins Geschäft oder nicht?“
<NRPG: Ball an Nazira>
</RPG>
<SUM>
# Ort: Blindbachmühle
# Zeit: MD04.0700
– Kevin schnüffelt bei der Mühle herum. Er merkt dass das Gebäude etwas magisches an sich hat, aber kann sein Geheimnis nicht ergründen, bevor der Bautrupp auftaucht.
# Ort: Blindbachmühle
# Zeit: MD04.1000
– Fabi passt Nazira ab, um ihr den Replikator zu zeigen. Er bietet an, ihn ihr zu überlassen, wenn sie ihm verrät, wer Jetsun ist und wo sie wohnt.
</SUM>
**submitted by
Johannes aka Fabièn LaGroille, zwielichtiger Krämer aus Reedale