Vielen Dank, Isa, fürs Schreiben, das macht richtig Spaß 🙂
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#Zeit: MD 05.1210
#Ort: Die Mühle am Blindenbach
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Ganz langsam kamen die Wiederaufbauarbeiten in Gang. Über Mangel an helfenden Händen konnte sich niemand beklagen. Bewohner beider Dörfer und auch die Bewohner der Wälder und des Umlandes waren versammelt, packten fleißig mit an und manchmal standen sie sich sogar gegenseitig auf den Füßen. Sogar die Aasimar-Magierin Jetsun in ihrer luftigen Gewandung war dabei, hielt sich aber im Hintergrund. Mit ihren weiten Schwingen konnte sie nicht wirklich gut mit anfassen und war auch nicht kräftig genug dazu. Jedoch stand sie jederzeit bereit, sollte sich jemand bei der Arbeit verletzen um ihn dann schnell zu heilen.
Dennoch wurde dieses Angebot nur sehr selten genutzt. Zu suspekt war sie den einfachen Menschen beider Ortschaften gleichermaßen.
Nach der Messe am frühen Morgen hatte sich der Organist erhoben und gebeten, sich am Wiederaufbau zu beteiligen, zu helfen, wie es im Buch des einen Gottes geschrieben stand.
Von der Tribüne aus, über dem Pater stehend, hatte Massimo im Namen des einen Gottes um Hilfe gerufen: „Denn er rettet den Wehrlosen, der um Hilfe fleht; den Schwachen, dem jeder andere seine Unterstützung versagt. Am Schicksal der Armen nimmt er Anteil und bewahrt die Entrechteten vor dem sicheren Tod“, hatte er zitiert.
Natürlich war Pater Di Lenoro nicht glücklich darüber gewesen, aber diese Worte stammten aus dem heiligen Buch. Was blieb ihm übrig, als dem Organisten zuzustimmen und so war die Menge der Helfer noch angewachsen.
Auch der Organist selbst war hier und packte fleißig mit an, wohin ihn einer der „Vorarbeiter“ auch schickte.
Tatsächlich hatte sich herausgestellt, dass der Einhornzüchter Shay ein Auge für Koordination und Organisation hatte und irgendwie war er zum Baustellenleiter geworden inzwischen.
Nun, zur Mittagsstunde, fand man sich zusammen unter den Bäumen ein, im Schatten des Waldes. Man tauschte Lebensmittel zum Mittagessen, einige Flaschen Wein oder Krüge mit Bier machten die Runde. Massimo hatte jedes Mal lächelnd abgelehnt. Er hatte noch etwas vor.
„Shay?“, wandte er sich an den Bauleiter, als dieser einmal gerade nicht umlagert von anderen war.
„Hallo Massimo“, grüßte dieser.
„Hallo, Senor. Ich…“, der Organist räusperte sich, „Ich habe da eine Bitte. Morgen ist Sonntag. Könntest Du vielleicht morgen zur Messe nach Reedale kommen? Und alle anderen darum bitten ebenfalls zu kommen?“
Der Einhornzüchter schüttelte den Kopf: „Du weißt, dass ich nichts für den Pater übrig habe.“
„Genau darum geht es“, erwiderte der Organist, „bitte. Ich bitte Dich inständig. Morgen. Einmal. Nur dieses eine Mal.“
Shay brummte etwas Unverständliches, sah das Flehen in den Augen des Organisten und nickte dann: „Mal sehen.“
Diese Antwort musste reichen. Mehr würde der Musiker nicht bekommen. Aber er würde noch mit einigen weiteren sprechen.
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#Zeit: MD 05.1810
#Ort: Der Wald zwischen Mühle und Arcadia
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Der Musiker schritt langsam vorwärts, in etwa einer Stunde würde die Dämmerung hereinbrechen, die Sonne stand schon tief am Himmel, nur wenige Strahlen durchbrachen das Blätterdach, hier auf dem Waldweg dämmerte es bereits jetzt.
Massimo erwischte sich selbst dabei, wie er eine Melodie vor sich hin summte. Ein uraltes Lied, eines was Spielleute ab und an sangen. Außer der Melodie hörte Massimo nur das Rauschen der Blätter im Wind, einige Vögel zwitscherten ein Abendlied.
Der Mann lächelte und sang laut:
„Die Sonne, die Sterne tragen Kunde von dir.
Jeder Lufthauch erzählt mir von dir.
Jeder Atemzug, jeder Schritt,
trägt deinen Namen weit mit sich mit.“
In Gedanken spielte Massimo mit der Statue in seiner Tasche, als er auf dem Weg nach Hause war. Bisher hatte er noch keinen guten Platz gefunden, an dem er den Bronzeengel platzieren könnte. Engel? Ja. Für ihn war es ein Engel. Auch heute hatte er den lebenden Engel gesehen, kurz hatten sie einige Worte gewechselt. Jetsun hatte bereit gestanden um zu helfen, sie hatte auch kleinere Verletzungen geheilt und da war wieder dieses Summen gewesen, das Schnurren einer Katze, dass den Heilvorgang begleitete.
„Hätt‘ ich einen Pinsel zu zeichnen dein Antlitz,
den Glanz deiner Augen, den lieblichen Mund.
Ich malte die Wimper, die Braue, dein Lächeln,
wie ich es erkannte in jener Stund‘.
Hätt‘ ich eine Flöte zu spielen die Klänge,
Die von deiner Anmut und Schönheit erzählen.
Ich spielte den Reigen der himmlischen Tänze,
wie in den Gedanken, die mich seither quäl’n.“
Tatsächlich bekam er diese Frau nicht aus seinem Kopf. Diesen Engel, der andere heilte, der schon beim Brand der Mühle geholfen hatte zu löschen, wie mehrere Leute auf der Baustelle erzählt hatten. Sanfte Worte des Liedes verloren sich in den Blättern des Waldes.
„Hätt‘ ich eine Feder zu schreiben die Worte,
die dich umgarnen wie silbernes Licht.
Ich schriebe von Liebe, von Nähe und Hoffnung
und schrieb‘ die Sehnsucht hinaus in das Nichts.
Doch weder Bilder noch Klänge noch Wort,
Könnten beschreiben, was an jenem Ort,
mit mir gescheh’n, als ich dich geseh’n
Du in jener Nacht den Schein hast entfacht.
Die Sonne, die Sterne tragen Kunde von dir.
Jeder Lufthauch erzählt mir von dir.
Jeder Atemzug, jeder Schritt,
trägt deinen Namen weit mit sich mit.“
Massimo lächelte, er hatte den Rand des Waldes erreicht, in wenigen Minuten wäre er zu Hause und Morgen würden Hass und Wahn enden. Mussten enden. Dieses Land brauchte mehr Heiler und weniger Verletzer.
<nrpg: https://www.youtube.com/watch?v=MIydkUxnWGs >
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#Zeit: MD 06.0900
#Ort: Die Kirche in Reedale
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So voll wie an diesem Tag war die Kirche nie zuvor gewesen. Es gab gar nicht genügend Sitzplätze für alle und selbst einige, die man noch nie in diesem Gebäude gesehen hatte, waren hier. Einige standen nah am Ausgang in der hintersten Reihe, selbst einige derer, die der Pater immer der Hexerei bezichtigte. Sogar die geflügelte Hexe war da. Nun, immerhin war sie nicht beim Überschreiten der Türschwelle in Flammen aufgegangen.
Di Lenoro war wirklich nicht über jeden Besucher glücklich, aber was blieb ihm anderes übrig, als die Menge willkomen zu heißen, was er auch tat. Er segnete, nachdem das erste Stück auf der Orgel verklang.
„Der eine Gott sei mit euch.“ Die Gemeinde antwortete: „Und mit deinem Geiste.“
Nicht jeder sprach diese Worte, aber alle zeigten Respekt. Ein Hochgenuß für den Pater.
„Gloria in excelsis Deo
et in terra pax hominibus bonae voluntatis.
Laudamus te.
Benedicimus te.
Adoramus te.
Glorificamus te.
Gratias agimus tibi propter magnam gloriam tuam.
Domine Deus rex celestis Deus pater omnipotens.
Domine Fili unigenite Iesu Christe.
Domine Deus Agnus Dei Filius Patris.
Qui tollis peccata mundi miserere nobis.
Qui tollis peccata mundi suscipe deprecationem nostram.
Qui sedes ad dexteram Patris miserere nobis.
Quoniam Tu solus Sanctus.
Tu solus Dominus.
Tu solus altissimus Iesu Christe.
Cum Sancto Spiritu in gloria Dei Patris. Amen.“
Massimo setzte an der Orgel ein und spielte ein Lied, er sang und pries Gott, für seine Barmherzigkeit, seine Liebe zu allen Menschen. Ein Teil der Gemeinde stimmte in den Gesang ein, andere blickten nachdenklich vor sich hin, hörten stumm der Melodie und den Worten zu. Das Lied endete und Pater Di Lenoro setzte an mit einem Stück aus dem Buch des Herrn:
„Die beiden Engel kamen am Abend nach Sodom. Lot saß im Stadttor von Sodom. Als er sie sah, erhob er sich, trat auf sie zu, warf sich mit dem Gesicht zur Erde nieder und sagte: Meine Herren, kehrt doch im Haus eures Knechtes ein, bleibt über Nacht und wascht euch die Füße! Am Morgen könnt ihr euren Weg fortsetzen. Nein, sagten sie, wir wollen im Freien übernachten.Er redete ihnen aber so lange zu, bis sie mitgingen und bei ihm einkehrten. Er bereitete ihnen ein Mahl, ließ ungesäuerte Brote backen und sie aßen.
Sie waren noch nicht schlafen gegangen, da umstellten die Einwohner der Stadt das Haus, die Männer von Sodom, Jung und Alt, alles Volk von weit und breit.
Sie riefen nach Lot und fragten ihn: Wo sind die Männer, die heute Abend zu dir gekommen sind? Heraus mit ihnen, wir wollen mit ihnen verkehren.
Da ging Lot zu ihnen hinaus vor die Tür, schloss sie hinter sich zu und sagte: Aber meine Brüder, begeht doch nicht ein solches Verbrechen!
Seht, ich habe zwei Töchter, die noch keinen Mann erkannt haben. Ich will sie euch herausbringen. Dann tut mit ihnen, was euch gefällt. Nur jenen Männern tut nichts an; denn deshalb sind sie ja unter den Schutz meines Daches getreten.
Sie aber schrien: Mach dich fort!, und sagten: Kommt da so ein einzelner Fremder daher und will sich als Richter aufspielen! Nun wollen wir es mit dir noch schlimmer treiben als mit ihnen. Sie setzten dem Mann, nämlich Lot, arg zu und waren schon dabei, die Tür aufzubrechen.
Da streckten jene Männer die Hand aus, zogen Lot zu sich ins Haus und sperrten die Tür zu. Dann schlugen sie die Leute draußen vor dem Haus, Groß und Klein, mit Blindheit, sodass sie sich vergebens bemühten, den Eingang zu finden.
Die Männer sagten dann zu Lot: Hast du hier noch einen Schwiegersohn, Söhne, Töchter oder sonst jemand in der Stadt? Bring sie weg von diesem Ort!
Wir wollen nämlich diesen Ort vernichten; denn schwer ist die Klage, die über die Leute zum Herrn gedrungen ist. Der Herr hat uns geschickt, die Stadt zu vernichten.
Da ging Lot hinaus, redete auf seine Schwiegersöhne ein, die seine Töchter heiraten wollten, und sagte: Macht euch auf und verlasst diesen Ort; denn der Herr will die Stadt vernichten. Aber seine Schwiegersöhne meinten, er mache nur Spaß.
Als die Morgenröte aufstieg, drängten die Engel Lot zur Eile: Auf, nimm deine Frau und deine beiden Töchter, die hier sind, damit du nicht wegen der Schuld der Stadt hinweggerafft wirst.
Da er noch zögerte, fassten die Männer ihn, seine Frau und seine beiden Töchter an der Hand, weil der Herr mit ihm Mitleid hatte, führten ihn hinaus und ließen ihn erst draußen vor der Stadt los.
Während er sie hinaus ins Freie führte, sagte er: Bring dich in Sicherheit, es geht um dein Leben. Sieh dich nicht um und bleib in der ganzen Gegend nicht stehen! Rette dich ins Gebirge, sonst wirst du auch weggerafft.
Lot aber sagte zu ihnen: Nein, mein Herr, dein Knecht hat doch dein Wohlwollen gefunden. Du hast mir große Gunst erwiesen und mich am Leben gelassen. Ich kann aber nicht ins Gebirge fliehen, sonst lässt mich das Unglück nicht mehr los und ich muss sterben.
Da, die Stadt in der Nähe, dorthin könnte man fliehen. Sie ist doch klein; dorthin will ich mich retten. Ist sie nicht klein? So könnte ich am Leben bleiben.
Er antwortete ihm: Gut, auch das will ich dir gewähren und die Stadt, von der du sprichst, nicht zerstören.
Schnell flieh dorthin; denn ich kann nichts unternehmen, bevor du dort angekommen bist. Deshalb nannte er die Stadt Zoar.
Als die Sonne über dem Land aufgegangen und Lot in Zoar angekommen war, ließ der Herr auf Sodom und Gomorra Schwefel und Feuer regnen, vom Herrn, vom Himmel herab.
Er vernichtete von Grund auf jene Städte und die ganze Gegend, auch alle Einwohner der Städte und alles, was auf den Feldern wuchs.“
Es war eine der liebsten Stellen des Paters. Die Sünder wurden vom Feuer vernichtet. So gehörte es sich. So hatte es der Eine selbst vorgemacht.
Als Di Lenoro ansetzte zur Predigt, erklang die Orgel. Nein, keine Musik, disharmonische Klänge, die in den Ohren schmerzten. Nur einen kurzen Moment, aber es reichte, um den Pater inne halten zu lassen. Von der Bühne, von seinem Platz an der Orgel, stand Massimo auf: „Es ist genug mit Feuer und Schwefel! Genug mit Hass und Gewalt! Vor wenigen Tagen nahmen Männer diese Geschichten wörtlich und zündeten die Mühle an. Vor nur zwei Tagen versuchte ein anderer Mann eine Frau zu töten. Weil sie angeblich eine Hexe sei.“
Die Menge raunte leise. Wütende Rufe erschollen.
„Ist der Teufel in Dich gefahren, Organist?“, brüllte Di Lenoro. War das der Einfluss dieser geflügelten Hexe?
„Nein, er steckt in Euch, Pater. Ihr predigt Gewalt und Tod. Der große Verführer hat Euch den Kopf verdreht, angestachelt auf dass ihr auch anstachelt. Ihr sät Angst, Zweifel, Hass, auf alles was ihr nicht versteht und was nicht in Euer Weltbild passt. Der Herr ist barmherzig, er liebt alle Menschen, auch die Sünder und er vergibt ihnen!“
„Mein ist die Rache, spricht der Herr“, schrie der Priester, „Holt diesen Mann da herunter, der Gott lästert!“
Die Stimme des Organisten übertönte den entstehenden Tumult: „Euch aber, die ihr mir wirklich zuhört, sage ich: Liebt eure Feinde und tut denen Gutes, die euch hassen. So sprach der Herr.“
Wütend forderten einige, Massimo zum Schweigen zu bringen, forderten seinen Kopf.
„Lernt ihr denn nichts? Woher kommt Euer Hass?“, rief der Organist verzweifelt um flüsternd fortzufahren: „Das… habe ich nicht erwartet“, doch hörten es alle.
„Narr!“, schrie Di Lenoro, „niemand erwartet die spanische Inquisition. Und doch wird sie über Dich kommen. Du trägst einen Dämon in Dir!“
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<SUM>
#Zeit: MD 05.1210
#Ort: Die Mühle am Blindenbach
Der Wiederaufbau schreitet voran. Beim Mittagessen bittet Massimo Shay um einen Gefallen.
#Zeit: MD 05.1810
#Ort: Der Wald zwischen Mühle und Arcadia
Überlegungen des Organisten auf dem Heimweg und ein Lied.
#Zeit: MD 06.0900
#Ort: Die Kirche in Reedale
Die Sonntagsmesse ist gut besucht, nie war es in der Kirche voller. Nach einer Lesung aus dem heiligen Buch kommt es zum verbalen Showdown zwischen Organist und Pfarrer.
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Jetsun und Assets