Hallo zusammen,
hier wieder mal ein „kleines“ Copo von Oli und mir. Hat viel Spaß gemacht! 😊
<RPG>
# Zeit: MD 5.0200 (Direkt im Anschluss an das Posting „Deals“)
# Ort: Joris Hütte
> Nachdem alles wieder verstaut und die Reste der verdorbenen Ähren wieder abgedeckt waren, verschloss sie
> das Lagerhaus sorgfältig und machte sich so schnell sie konnte im Schein des hellen Mondes auf dem Weg
> zurück zu Joris Hütte.
So leise sie konnte, schlich sich Nazira an die Hütte an. Sie hätte nicht schleichen müssen, derzeit hatte sie schließlich ein Recht, hier zu sein. Auf der anderen Seite wollte sie aber nicht, dass Jori mitbekam, dass sie überhaupt weggwesen war. Dann würde er keine Fragen stellen, und sie musste ihn nicht anlügen…. und das wollte sie nicht. Warum auch immer – in Ihrer unrühmlichen Vergangenheit hatte sie oft genug Anlass zum Lügen gehabt und es getan, wann auch immer es nötig war. Aber sie wollte Jori nicht anlügen müssen.
Eigentlich sollte er jetzt gerade sowieso schlafen. Sie teilten sich ja das Bett in seiner Hütte nacheinander – erst schlief er, dann schlief sie. Und jetzt war ohnehin ihre Zeit, wach zu sein. Und meist saß sie dann draußen vor der Hütte, um ihn nicht zu stören. So hatte das jetzt schon einige Nächte ganz gut geklappt.
Doch die kleine Müllerin wusste auch, dass Jori einen verdammt leichten, hellhörigen Schlaf hatte. Den Sack würde sie nachher verstauen, wenn ihre Schlafschicht dran war. So lange hielt sie ihn unter ihrem Umhang verborgen.
Fast schon war sie bei der Bank angekommen, auf der sie sonst saß. Also alles beinahe gut.
Kurz bevor die Müllerin ihre Bank erreichte, hielt sie inne. In der sternenklaren Nacht konnte sie schemenhaft eine Gestalt auf der Bank sitzen sehen.
„Guten Morgen.“ Entgegnete der der Wildhüter mit einer gewissen Kühle in seine Stimme.
„Äh…guten Morgen…“ gab die Müllerin etwas ertappt zurück.
Nazira konnte den Blick von Jori förmlich spüren und die Fragen, die darin lagen. „Normalerweise würde ich nicht fragen und normalerweise würde ich mich aus diesen Angelegenheiten raushalten…“ er seufzte und schüttelte seinen Kopf: „Ich habe angeboten Dich zu schützen, ich möchte das wirklich…“ wieder seufzte er und warf dabei seine Hände in die Luft: „Da draußen sind Leute, die Dich umbringen wollen…aber wie soll ich für Dich da sein, wenn Du Dich nachts davonschleichst und kein Wort darüber verlierst?“ In der Stimme von Jori konnte die Müllerin Wut, Frustration aber auch noch etwas anderes hören.
Es vergingen einige Momente der Stille. Jori brach diese mit den Worten: „Ich habe mir Sorgen um Dich gemacht, als Du nicht mehr da warst…“
Nazira hatte den Anstand, betreten dreinzuschauen. Ihre Kapuze hatte sie zurückgeschlagen als sie Jori erkannt hatte, und so konnte er den Blick klar im Mondlicht erkennen. Doch dann straffte sie sich und fragte in bestem ‚genervte Ehefrau‘ Ton: „Warum bist Du nicht im Bett und schläfst?“ Angriff ist die beste Verteidigung….
Verdutzt zwinkerte Jori. Er hatte ja mit einigem gerechnet, doch mit dieser Reaktion nun dann doch nicht. Er hob beschwichtigtend die Hände. „Am Ende ist es ganz alleine Deine Sache und Deine Entscheidung. Ich will Dir nur helfen, sofern Du mich lässt.“ Damit erhob Jori sich von der Bank, blickte Nazira aber fest im Mondschein an. „Nicht alle Dinge kann man alleine regeln, manche Dinge lassen sich einfacher zusammen lösen…aber das lässt sich nicht erzwingen.“ Langsam setzte sich Jori in Bewegung zurück in seine Hütte. „Ach, und nur damit Du es weißt, ich kann deswegen nicht schlafen, weil Du zu laut schleichst!“
Jetzt war es an Nazira, verdutzt auszusehen. „Was, warte… ich _schleiche_ zu _laut_?“ Sie blinzelte wie eine Eule im Mondlicht.
Dann, plötzlich, zuckte es um ihre Lippen und sie fing an, zu kichern. Diese Nacht war einfach viel zu seltsam, die Anspannung der letzten Tage zu groß gewesen, und nach diesem Kommentar entlud sich dies schlicht in einem Lachanfall.
Als Jori stehen blieb, sich irritiert nach der kleinen Frau umsah und sah, wie diese hilflos ihre Bauch hielt und Tränen lachte, musste er auch grinsen, wenn er auch stark verwundert war. Er hatte sie noch nie Lachen gesehen.
Nach einer Weile beruhigte Nazira sich wieder und sagte „Tut mir leid, dass ich Dich _wachgeschlichen_ habe, Jori.“ Sie prustete noch einmal und wurde dann wieder so ernst wie immer. „Und tut mir leid, dass ich einfach so abgehauen bin. Wollte Dir keine Sorgen machen.“
Jori sah genauer hin. Er konnte sich irren, die Nacht war recht dunkel, aber er war ein guter Beobachter. Und wenn er es gerade richtig erkannte, wirkte sie…ja, was? Schuldbewusst? Verzweifelt?
Jori machte einen Schritt auf sie zu. „Schon gut. Ich will einfach nicht, dass Dir etwas passiert…“ ein dicker Kloß bildete sich im Hals des Wildhüters. Er machte noch einen weiteren Schritt auf sie zu. Die Mine der Müllerin zeigte eine Zerrissenheit, die er so bei ihr noch nie gesehen hatte.
„Ich weiß, dass Du bisher in Deinem Leben immer damit besser gefahren bist, Dich nur auf Dich zu verlassen.“ Er machte eine kurze Pause, um nach den richtigen Worten zu suchen. „Der Brandanschlag auf die Mühle hat das mit Sicherheit nur mal wieder bestätigt.“
Nazira nickte nur.
„Allerdings widerlegen einige Bürger von Arcadia und Reedale diese These – oder zeigen zumindest, dass es für jede Regel auch Ausnahmen gibt.“
Der Wildhüter machte noch einen Schritt auf die Müllerin zu, faste dabei all seinen Mut zusammen und nahm vorsichtig Naziras Hände in seine: „Ich sehe, dass Dich etwas bedrückt und beschäftigt, weswegen Du dich nachts wegschleichst…ich will Dir helfen…sofern Du mich lässt…“
Mit Wut oder Anklage hatte sie gerechnet. Auch mit Ignoranz oder Abschätzigkeit. Dann hätte Nazira gewusst, wie sie reagieren würde. Damit hatte sie reichlich Erfahrung. Aber nicht mit… Verständnis. Freundlichkeit. Besorgnis. Diese Reaktionen waren ihr gänzlich fremd. Dagegen hatte sie keine Abwehr.
Während er ihre Hände hielt, konnte Jori spüren, wie sie in sich zusammensackte, nachgab, resignierte. Wortlos machte sie eine Hand von ihm frei und griff in ihre Tasche, holte einen Zettel hervor und reichte ihm diesen. Als Jori den Zettel auseinander faltete, konnte er im Mondlicht gerade so lesen, was darauf stand: „Ich habe ihren Raben. Wenn sie ihn wieder haben wollen, treffen sie mich um Mitternacht an der Mühle – allein“
Nazira blickte ihn nur mit ihren in der Nacht fast schwarz wirkenden Augen an und sagte „Da bin ich hin.“
Jori blickte fassungslos auf den Zettel. Er konnte es gar nicht glauben, wie viel Niedertracht man einem einzelnen Menschen entgegen bringen konnte. Vorallem jemandem, der für so viele hier wichtig war und nie auch nur den Versuch unternommen hatte, die Bürger von Lord Grand zu übervorteilen oder gar über den Tisch zu ziehen. Sicher, er hatte schon schlimmere menschliche Abgründe gesehen, aber nicht außerhalb vom 7. Solaris.
„Jemand hat Deinen Raben und will jetzt Lösegeld erpressen?“ brachte Jori verwundert und leicht angewidert hervor.
„So könnte man es nennen, ja.“ Nazira nickte knapp.
„Hast Du den Erpresser an der Mühle getroffen?“ hakte Jori nach. Eigentlich erwartete er, dass Nazira dort niemanden vorgefunden, oder das sich der Erpresser nicht zur erkennen geben hatte.
„Jennifer hat ihn…“, brachte die Müllerin schließlich etwas gepresst hervor.
„Jen?“ wiederholte Jori verblüfft. „Aber, aber…was will sie von Dir haben? Geld?“ Er klang er nicht wirklich überzeugt davon.
„Nein, Geld will sie nicht…“, ihr Blick senkte sich. „Sie will, dass ich ihr ein Gift beschaffe…“ brachte sie mit zittriger Stimme hervor. „Ich glaube, sie will jemanden umbringen, Jori…“ verzweifelt blickte sie zu Jori hoch. „Ich muss Caraxes zurück haben, ich kann ihn nicht im Stich lassen…“ ihre Stimme brach, und für einige Augenblicke.sah sie so aus, als würde sie anfangen, zu weinen, aber dann fing sie sich wieder.
„Hast du eine Idee, für wen sie das Gift haben will?“ Fragte Jori vorsichtig nach.
„Nein, das, wollte sie nicht verraten…“
„Hm…“ der Wildhüter überlegte einen Moment. „Was wäre, wenn Du ihr gibst, was sie verlangt?“
Nazira blickte ihn nachdenklich an. Dieser grinste verschmitzt. „Nur weil die Übergabe des Giftes an Jen klappt heißt das ja nicht, dass es sie behält oder es der Person verabreichen kann, oder? Sie könnte schließlich nach der Übergabe verfolgt werden, und es könnte passieren, dass, sagen wir mal, es wieder abhanden kommt…“
Nazira seufzte. „Ich hab versucht, sie davon abzubringen. Hab ihr gesagt, dass ich keine Ahnung von Giften habe. Aber sie.. sie hat mir gedroht. Sie sagte, wenn ich nicht mache was sie will, hätte sie… viele Interessenten für… einen weißen Raben…“ Jori konnte hören, dass Nazira fast an diesen Worten erstickte und er hörte ebenfalls den abgrundtiefen Hass hinter diesen Worten. Sie klang wie eine Mutter, deren Kind entführt wurde und bedroht wird.
„Jen war klar, dass ich ihr nichts tun konnte, auch wenn ich schon das Messer an ihrer Kehle sitzen hatte. Sonst würde ich Caraxes nie rechtzeitig finden, bevor er verhungert. Hat sie zumindest gesagt.“ Die kleine Müllerin ließ die Schultern hängen. „Also blieb mir nichts anderes übrig, als einzuwilligen. Nachdem sie weg war, hab ich das einzige Gift für sie herstellt, das ich kenne.“ Sie deutete auf den kleinen Mehlsack, der an ihrem Gürtel baumelte. „Aber wenn sie es nicht einsetzen kann, wäre ich ganz froh. Will mich nicht mitschuldig am Tod eines anderen machen. Hauptsache, ich krieg Caraxes wieder.“ Sie blickte zu Boden und wirkte, ganz im Gegensatz zu ihrer sonstigen aufrechten, stolzen Haltung, plötzlich sehr klein und verletzlich.
„Was ist das für ein Gift?“ Erkundigte sich Jori.
„Mutterkorn.“ antwortete die Müllerin kleinlaut. „Mehl vom Mutterkorn.“
Jori zog die Stirn in Falten und dachte nach. „Darf ich mal sehen?“
Nazira nickte, nahm das Säckchen von ihrem Gürtel, öffnete es vorsichtig und zeigte den Inhalt dem Wildhüter. Dieser betrachte es einen Moment im Mondschein. Plötzlich huschte ein Lächeln über sein Gesicht: „Hat Jen explizit hiernach verlangt?“
„Nein, sie wollte _nur_ ein Gift haben, welches nicht nachweisbar ist und schnell wirkt. Alles andere schien ihr gleich zu sein. Aber… das war das Einzige, das ich kenne.“
„Verstehe…warte kurz, ich habe vielleicht eine Idee…“ Jori verschwand in seiner Hütte. Nach ein paar Augenblicken kam er zurück mit einem kleinen Säcken, dass er Nazira entgegen hielt: „Ich gehe nicht davon aus, dass Jen das Gift bei der Übergabe prüfen wird, oder?“
Die Müllerin schüttelte den Kopf: „Wie sollte sie Mutterkornmehl an Ort und Stelle prüfen wollen?“
Breit grinsend nahm Jori das Säckchen Mutterkorn aus Naziras Hand und legte stattdessen sein Säckchen an dessen Stelle: „Den Unterschied beim Mehl wird sie erst viel später feststellen…“
Nazira runzelte die Stirn, hin- und hergerissen. „Ich bescheiße nicht, Jori. Mein Ruf hängt davon ab. Wenn ich etwas zusage, dann halte ich es auch. Ob es mir gefällt, oder nicht. Jen weiß das.“ sagte sie besorgt. „Klar will ich nicht, dass sie jemand umbringt. Aber ich habe ihr mein Wort gegeben.“
Hilflos blickte sie zu Jori auf. „Ich habe mein verdammtes Wort gegeben…“
„Was glaubst Du, was Dein Ruf oder Dein Wort am Ende noch wert ist, wenn rauskommen sollte, dass Du geholfen hast, jemanden zu vergiften?“ fragte Jori mit ärgerlichem Unterton. „Jen ist diejenige, die falsch spielt und Dich zu manipulieren versucht. Sie zieht Dich in ihr schmutziges Spiel mit hinein, in dem sie Dich und Caraxes bedroht.“
„Ich habe ihr mein Wort gegeben!“ antwortete Nazira halsstarrig.
„Sicher, aber woher willst Du wissen, dass sie ihres hält? Oder dass sie es nicht wieder macht? Nazira, das sind typische Erpressermethoden – ich weiß leider, wovon ich da rede…“ ein Schatten legte sich auf die Züge des Wildhüters. „Niemand wird an Deinem Ruf oder deinem Wort Zweifeln, wenn du am Ende eine Entführerin und Erpresserin aufs Kreuz gelegt und obendrein noch ein Leben gerettet hast.“
Jori konnte sehen, wie seine Worte Wirkung zeigten. Nachdem die kleine weißhaarige Frau eine Weile lang kritisch den Mond betrachtet hatte, als würde sie mit ihm Zwiesprache halten, sah sie ihn wieder an und er konnte an ihrem Gesicht sehen, dass sie sich entschieden hatte. „Hast Recht.“ sagte sie einfach nur. „Gib her.“ und sie streckte die Hand nach dem Beutel mit dem harmlosen Mehl aus. „Hoffe nur, dass Jen sich an die Absprache hält und mir Caraxes wiedergibt. Sonst gibt’s doch noch ne Tote.“ sagte die Müllerin grimmig. „Sie wollte mir außerdem noch sagen, wer die Mühle in Brand gesteckt und Caraxes verletzt hat. Jen hat ihn offenbar mit nem Pfeil im Flügel gefunden, und angeblich sogar versorgt.“ Nazira schnaubte. „Aber natürlich kann mir Caraxes das auch alles selber sagen. Weiß Jen nur nicht.“ Sie grinste sardonisch.
„Das da“, sie zeigt auf den Beutel mit dem Mutterkorn-Mehl, „verbrennste am besten so schnell wie möglich. Ist die beste Art, das Zeug loszuwerden.“
Dann sah sie zu Jori auf, und in ihrem Gesicht spiegelte sich ein wenig Erstaunen, und kurz wurden ihre üblicherweise harten Züge weicher. „Und Jori… Danke.“ Das klang ganz warm und weich. Ganz anders, als sonst.
Ein warmes, aufrichtiges Lächeln legte sich auf die Lippen des Wildhüters. Er war erleichtert, dass er Nazira davon hatte abbringen können, einer potentiellen Mörderin die Tatwaffe in die Hand zu legen. Was ihn noch viel mehr freute war, dass Nazira sich ihm so zeigte, wie in diesem Moment – ein Moment, in dem ihm überall trotz der kühlen Nacht ganz warm wurde. Er nickte ihr zu: „Für Dich doch immer…und jetzt sollte ich versuchen, noch etwas zu schlafen…“ und zwinkernd fügte er hinzu. „Und bitte nicht wieder wegschleichen.“
Nazira grinste nur leicht. „Bestimmt nicht. Gute Nacht.“ sagte sie, und setzte sich auf die Bank bis sie den ‚Bett-Schichtwechsel vornehmen würden. Wie immer.
# Zeit: MD 06.0955
# Ort: Hinter der Kirche in Reedale / Eiche im Wald
> „Mein Rabe?“ fragte sie und ließ den Beutel nicht los auch wenn Jen ihn bereits festhielt.
> „Eine Meile den Weg runter da geht ein schmaler Pfad nach rechts ab und führt dich zu einer großen Eiche. Der > Käfig mit deinem Raben hängt dort in den Ästen.“ beeilte sie sich und entriss Nazira schließlich den Beutel, um
> zurück zum Eingang der Kirche zu eilen.
> Nazira sah ihr noch kurz nach und beeilte sich dann, den Weg einzuschlagen, den Jen ihr genannt hatte und der hoffentlich zu ihrem Raben führen würde.
Sie rannte den Weg schon fast entlang, konnte es kaum abwarten, ihren geliebten Caraxes wieder in die Arme zu schließen. Hoffentlich waren seine Verletzungen nicht allzu schlimm… und hoffentlich hatte Jen sie nicht angelogen. Falls der weiße Rabe nicht da wäre, würde nichts mehr Jen vor Naziras Wut retten können, soviel stand fest. Vielleicht war es auch eine Falle. Die Müllerin musste auf jeden Fall auf der Hut sein.
Jori hatte Kirche kurz hinter Shay verlassen und konnte gerade noch sehen, auf welchen Weg Nazira die Kirche verließ. Scheinbar hatte Jen ihr gesagt, wo sie den weißen Raben versteckt hatte. Er blickte sich vor der Kirche noch um, wollte sehen, ob es zu weiteren Handgreiflichkeiten kam, oder ob er Massimo irgendwo erspähend konnte. Der Pater hatte sich während des Orgelspiels des Barden lieber in die Sakristei zurückgezogen. Entsprechend hatte sich die Stimmung ein wenig entspannt. Einige blickten ihn aus den Augenwinkeln an und tuschelten, aber keiner von den Kirchgängern sprach ihn auf seine Vorwürfe an. Das würde mit Sicherheit noch kommen…
In dem Moment erblickte er, wie Jen in Shay rannte und dieser mit Mehlstaub überzogen wurde. Der Wildhüter musste grinsen, denn damit war Jens Giftanschlag doppelt vereitelt. Zufrieden machte er sich auf den gleichen Weg von der Kirche weg, wie Nazira. Er hoffte dabei inständig für Jen, dass sie Nazira nicht belogen hatte.
Bald kam Nazira an die große Eiche, an der der Käfig mit Caraxes hängen sollte. Allein schon der Gedanke, ihn in einem Käfig zu sehen, schüttelte die kleine schmale Frau vor Ärger. Sie versuchte, sich so vorsichtig und leise zu nähern, wie sie konnte, falls hier jemand auf sie lauern sollte, immer im Ohr, dass Jori sich bei ihr beschwert hatte, sie würde so _laut schleichen_. Es schien alles ruhig. Als die Müllerin genau hinsah, konnte sie schon Gitterstäbe durch die Äste erahnen…doch warum hing der Käfig so verdammt _hoch_ im Baum?
Jori konnte schon aus einiger Entfernung erkennen, dass die Müllerin unter einer großen Eiche stand – oder viel mehr um diese suchend herum schritt. Sollte der Rabe doch nicht hier sein? Der Wildhüter schaute hoch in die Krone des Baums und konnte dort einen Käfig zwischen den Blättern ausmachen.
„Ist er da oben drin?“ Fragte Jori mit einer gewissen Spannung in der Stimme.
Nazira sprang fast aus dem Stand einen halben Meter hoch, als sie plötzlich Joris Stimme hinter sich hörte. Im Gegensatz zu ihr, konnte er verdammt leise schleichen.. „Mann, hast Du mich erschreckt!“ zischte sie ihn leise an.
Dann reagiert sie auf seine Frage. „Weiß nicht, bisher kam von dort oben kein Laut.“
„Jen hat ihm sicher den Schnabel zugebunden…“mutmaßte Jori.
Nazira funkelte ihn böse an. „Ich zahl ihr das Heim…“
Jori legte den Kopf in den Nacken und fragte sich, wie Jen den Käfig dort hinauf bekommen hatte. Wie sie aber jetzt da hochkommen sollten, dafür gab es nicht vielen Möglichkeiten. Jori stellte sich an den Stamm der Eiche unter einen Ast, machte die Hände zusammen und blickte Nazira an: „Räuberleiter…ich hoffe, Du kannst gut klettern…“
Die kleine Frau grinste ihn breit an. „Ich komme klar in Bäumen.“ sagte sie knapp, hielt sich an seinen Schultern fest und stellte ihren Fuß in seine Hände, um sich zum nächsten Ast hochhieven zu lassen.
So nah war er ihr noch nicht gekommen. Er konnte den Mehlstaub sowie ihren persönlichen Duft riechen, als er ihren kleinen, leichten Körper mit den Händen nach oben schob.
„Ein kleines Stück noch, Jori! Dann krieg ich den Ast“ hörte er sie von oben leise sagen. Er schob sie so hoch wie er konnte, und sie streckte sich auf ihre volle, unbeeindruckende Körperlänge. Mit etwas Ächzen fand sie eindlich Halt am untersten, großen Ast des majestätischen Baumes. „Hab ihn!“ sagte sie nach unten und stieß sich leicht in seinen Händen ab, um gegen den Baum zu schwingen und von da ganz auf den Ast. Wie sie dort hockte, zog sie plötzlich ihren Umhang aus und warf ihn zu ihm runter. „Halt den mal fest, der stört hier nur.“ sagte sie, und behende wie ein Eichhörnchen, kletterte sie weiter den Baum hinauf. Er hörte die Blätter etwas rascheln, sonst nichts und stellte fest, in einem Baum war sie bedeutend leiser, als auf dem Boden. Bei dem Gedanken musste der Wildhüter grinsen.
Nazira kletterte aufmerksam und so schnell sie konnte in den Baumwipfel rauf. Ihre kleine Gestalt half nun enorm. Bald hatte sie den Käfig erreicht. In der Tat, saß dort Caraxes mit zugebundenem Schnabel und sah sie an. Ein Flügel war noch verbunden. Er machte ein Geräusch in der Brust, als er sie sah und Naziras Herz sprang in tausend kleine Scheben. „Oh mein Baby, warte, ich helf Dir da raus.“ raunte sie ihm besänftigend zu. Rasch öffnete sie den Käfig, und Caraxes kletterte behende auf ihre Schulter. Fliegen konnte er noch nicht wieder, wie es schien. „Halt dich da einfach gut fest, ja?“ sie drückte ihm einen Kuss auf den Schnabel, nachdem sie das Band von selbigem entfernt hatte. „Aber psscht, okay?“
Dass der Käfig immer noch im Baum hing, war ihr herzlich egal. Ihn runterzuschmeißen, hätte zu viel Krach gemacht. Also kletterte sie, vorsichtiger nun, damit der weiße Rabe nicht den Halt verlor, wieder runter und hockte bald auf dem untersten Ast, unter dem Jori stand und wartete.
„Da sind wir wieder“ raunte sie ihm zu, und er konnte hören, wie glücklich sie war, dass sie ihren Freund wiederhatte, der sich auf ihrer Schulter festkrallte.
Der Wildhüter hob wieder die verschränkten Hände hoch und Nazira versuchte, sich ruhig von dem Ast baumeln zu lassen, um mit ihrem Fuß seine Hände zu erwischen. Leider rutschte sie vom Ast ab, und verfehlte Joris Hände… alles, was er noch machen konnte, war ganz schnell zuzugreifen, um sie zu fassen zu bekommen, bevor die Müllerin auf dem Boden aufschlagen konnte. Caraxes flatterte ungelenk zu Boden.
Ein leiser Schrei entfuhr Naziras Kehle als sie merkte, dass sie im freien Fall war. Sicher, es waren maximal ein paar wenige Meter zum Boden, aber das konnte schon genug sein für eine Verstauchung oder gar einen Knochenbruch. Geistig stellte sie sich schon auf den harten Aufschlag ein. Stattdessen merkte sie aber, dass zwei kräftige Arme auf Höhe ihrer Taille sie zu fassen bekamen und Sie umschlangen. Das Momentum ihres Sturzes entlud sich so gegen den Oberkörper des Wildhüters, der der Wucht aber nicht standhalten konnte. Zusammen mit Nazira fiel er rücklings auf den Boden. Dabei fing Jori den Großteil des Sturzes ab, während Nazira auf ihm landete. Der Sturz presste sämtliche Luft aus den Lungen des Wildhüters, der kurz aufächzte. Nach einigen Momenten der Benommenheit blickte dieser auf, genau in dir Augen von Nazira, die er noch fest umschlungen hielt,und die auf ihm lag.
//Waren ihre Augen schon immer so grün?// fragte er sich kurz, noch immer irritiert vom Aufschlag. Einen Moment lang sahen sie sich schwer atmend in die Augen. Dann fragte Nazira leise: „Alles in Ordnung, Jori? Danke fürs Auffangen…“
„Was? Ahem, ja, mir geht’s gut.“ antwortete dieser wie automatisch.
Noch ein paar Sekunden verstrichen, in denen nichts passierte.
Dann räusperte sich die kleine Frau kurz. „Jori? Du…Du kannst mich jetzt loslassen, glaube ich.“ Ein etwas schiefes Grinsen stahl sich auf ihr Gesicht.
„Äh…ja…richtig…“ er erwiderte ihr Grinsen mit einem eigenen. Er blickte ihr noch einige Momente in ihre Augen und schien sich fast in diesen zu verlieren. Dabei schienen sich ihre beiden Köpfe noch ein Stück näher zu kommen…
„Ich will ja nicht stören, aber…“ krächzte es da plötzlich von der Seite und beide erschraken fast zu Tode. „…sollten wir nicht von hier verschwinden?“
Nazira und Jori drehten zeitgleich ihre Köpfe, um Caraxes anzusehen, der direkt neben ihnen saß und sie aufmerksam ansah. Könnten Raben grinsen, hätte Jori schwören können, dass er das tat.
Schnell ließ er Nazira nun los, und beide rappelten sich auf und strichen sich die Kleidung glatt, Jori entfernte noch einige Blätter aus ihren Haaren und Nazira klopfte ihm den Dreck vom Rücken.
„Hast ja Recht, Caraxes.“ die kleine Frau grinste ihren Raben schief an und Jori sah erstaunt, dass ihre fast weiße Haut von einem leichten Rosaton überzogen war, als er ihr ihren Umhang reichte, den sie sofort wieder anlegte und die Kapuze hochschlug. Dann nahm sie ihren gefiederten Freund vorsichtig hoch und setzte ihn sich auf die Schulter.
Zu dritt machten sie sich auf den Rückweg zu Joris Hütte.
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<SUM>
# Zeit: MD 5.0200 (Direkt im Anschluss an das Posting „Deals“)
# Ort: Joris Hütte
Jori ertappt Nazira dabei, wie sie von dem Treffen mit Jen zurückkommt und überzeugt sie, das Mutterkorn-Mehl gegen normales Mehl auszutauschen.
# Zeit: MD 06.0955
# Ort: Hinter der Kirche in Reedale / Eiche im Wald
Nazira holt ihren Raben zurück, Jori hilft ihr dabei. Bei einem kleinen Kletter-Unfall kommen sie sich kurz sehr nahe.
</SUM>
submitted by
Nazria, Nachtmüllerin
&
Jori, Wildhüter